Gesetzliche und gewillkürte Erbfolge

 

 

Festzustellen ist bei Mandanten oftmals eine deutliche Verunsicherung in erbrechtlichen Fragen. Diese Unsicherheiten erstrecken sich nicht lediglich auf vertiefte erbrechtliche Themen wie die korrekte Berechnung von Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüchen oder Fragen, welche lebzeitig erhaltenen Schenkungen im Erbfall auszugleichen sind. Auch grundlegende Fragen dazu, wer den Erblasser beerbt hat, bereiten vielen Menschen Kopfzerbrechen. Aus diesem Grund möchten wir im Folgenden einige häufig gestellte Fragen näher beleuchten:

 

1. Die gesetzliche Erbfolge

Unterschieden wird zwischen der gesetzlichen und der gewillkürten Erbfolge. Sofern der Verstorbene - der Erblasser - weder ein Testament noch einen Erbvertrag errichtet hat oder wenn ein von ihm errichtetes Testament unwirksam ist, findet die gesetzliche Erbfolge Anwendung. Die Bezeichnung „gesetzliche Erbfolge“ verdeutlicht bereits, dass diese vom Gesetz vorgegeben wird. Auf die Frage, ob diese Erbfolge auch dem mutmaßlichen Wunsch des Erblassers entsprochen hätte, kommt es nicht an.

Geregelt ist die gesetzliche Erbfolge in den §§ 1924 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Sie beruht auf dem Gedanken, dass die Weitergabe des Vermögens des Erblassers innerhalb seiner Familie bzw. unter seinen Verwandten erfolgen soll. Dieses Verwandtenerbrecht beruht auf dem sogenannten Parentelsystem und teilt die Verwandten entsprechend ihrer verwandtschaftlichen Nähe in unterschiedliche Ordnungen (Parentel) ein. Hinterlässt der Erblasser Verwandte mehrerer Ordnungen, schließen die Verwandten der nächstliegenden Ordnung die Verwandten weiterer Ordnungen von der Erbfolge aus. Erben der 1. Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers. Die 2. Ordnung bilden die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, die 3. Ordnung die Urgroßeltern und wiederum deren Abkömmlinge. Die 4. und fernere Ordnungen umfassen die Urgroßeltern und entferntere Verwandte des Erblassers mit ihren jeweiligen Abkömmlingen.

 

Beispiel 1:

Hinterlässt der Erblasser eine Tochter und seine Eltern, wird er allein von seiner Tochter beerbt, da sie als Erbin der 1. Ordnung alle Verwandten weiterer Ordnungen von der Erbfolge ausschließt. Da die Eltern der 2. Ordnung angehören, werden sie nicht Erben.

 

Beispiel 2:

Der Erblasser hinterlässt einen Sohn, der wiederum zwei Kinder hat. Sowohl der Sohn als auch die Enkelkinder sind Abkömmlinge des Erblassers und damit Erben der 1. Ordnung. In diesem Fall schließt der Sohn sämtliche von ihm abstammenden Personen von der Erbfolge aus (Repräsentationsprinzip) und wird Alleinerbe.

Doch was ist mit dem Ehepartner des Erblassers? Da der Ehepartner nicht zu dessen Verwandten gehört, gewährt ihm § 1931 BGB ein eigenes Erbrecht. Neben Verwandten der 1. Ordnung beerbt der Ehepartner den Erblasser zu ¼ Anteil, neben Verwandten der 2. Ordnung oder den Großeltern des Erblassers mit einer Quote von ½. Haben die Eheleute im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, erhält der überlebende Ehepartner über § 1371 Abs. 1 BGB zusätzlich zu seinem Erbteil ein weiteres ¼ des Nachlasses als pauschalen Zugewinnausgleich. Waren zum Zeitpunkt des Erbfalls weder Verwandte der 1. oder 2. Ordnung noch Großeltern des Erblassers vorhanden, erbt der überlebende Ehepartner gemäß § 1931 Abs. 2 BGB den gesamten Nachlass.

 

Beispiel 3:

Der Erblasser war im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet und hinterlässt seine Ehefrau, einen Sohn und eine Tochter. Hat der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen errichtet, erbt die Ehefrau gem. § 1931 Abs. 1 BGB ¼ und erhält über § 1371 Abs. 1 BGB als pauschalen Zugewinnausgleich ein weiteres ¼, mithin ½ des Nachlasses. Den verbleibenden hälftigen Nachlass erben die Kinder, mithin jeweils ¼.

 

2. Die gewillkürte Erbfolge

Möchte der Erblasser von der gesetzlichen Erbfolge abweichen, hat er die Möglichkeit zur Errichtung einer „Verfügung von Todes wegen“. Diese bildet den Oberbegriff für Testamente und Erbverträge.

Errichtet der Erblasser ein handschriftliches Testament, muss er das Testament gemäß § 2247 BGB eigenhändig verfassen. Dies bedeutet, dass er das Testament zwingend handschriftlich verfassen und am Ende unterschreiben muss. Fehlt die Unterschrift, oder hat er das Testament - entsprechend seinem sonstigen Schriftverkehr - am Computer errichtet und sodann ausgedruckt, ist es mangels Individualisierbarkeit unwirksam. Das Fehlen von Zeit- und Ortsangaben im Testament hat demgegenüber keinen Einfluss auf die Wirksamkeit. Finden sich im Nachlass allerdings mehrere Testamente und lässt sich nicht zweifelsfrei klären, welches Testament zuletzt errichtet worden ist, sind sämtliche Testamente unwirksam. Wichtig ist zudem, dass der Erblasser seinen Willen eindeutig niederlegt. Sofern ein unklar formuliertes und mehrdeutiges Testament vom Gericht ausgelegt werden muss, besteht das Risiko, dass der wahre Wille des Erblassers nicht ermittelt werden kann.

Doch auch ein präzise formuliertes Testament nützt nichts, wenn es dem Erblasser an der erforderlichen Testierfreiheit fehlte. Hierbei handelt es sich um eine Tücke, die von Ehepaaren, die ein gemeinschaftliches Testament verfasst haben, oft nicht bedacht wird. Während Testamente gemäß §§ 2253, 2258 BGB grundsätzlich jederzeit widerrufbar sind, gilt bei gemeinschaftlichen Testamenten eine Besonderheit. Hierzu ein weiteres Beispiel:

 

Die Eheleute M und F setzen sich mit gemeinschaftlichem Testament gegenseitig als Alleinerben ein sowie ihre Tochter T als Schlusserbin. Nach dem Tod des M bedauert F die Erbeinsetzung der T und möchte stattdessen ihren Neffen als Erben einsetzen. Gemäß § 2270 Abs. 1 BGB sind Verfügungen eines Ehegatten, von denen anzunehmen ist, dass sie nicht ohne die entsprechende Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden sind, wechselbezüglich. Solche wechselbezüglichen Verfügungen können nur zu Lebzeiten beider Ehepartner widerrufen werden durch einen notariell beurkundeten und dem anderen Ehepartner zugestellten Widerruf. Mit dem Tod des Erstversterbenden erlischt das Widerrufsrecht, mit der Folge, dass der Überlebende an die wechselbezüglichen Verfügungen gebunden ist. Im Beispiel könnte die F daher zwar ein abweichendes Testament errichten, jedoch wäre dieses gemäß 2270 Abs. 2, 2289 BGB unwirksam. Um die Bindungswirkung aufheben zu können, müsste F ihr Erbe ausschlagen.