Warum erbrechtliche Fragestellungen so wichtig sind:
„Verfügung von Todes wegen“ lautet der Obergriff für sämtliche Anordnungen, die der Erblasser für den Fall seines Todes trifft. Dies sind der Erbvertrag, das Testament sowie das von Ehepartnern errichtete gemeinschaftliche Testament.
Während Erbverträge stets einer notariellen Beurkundung bedürfen, können Testamente sowohl in notarieller Form als auch eigenhändig errichtet werden.
Für die Errichtung eines eigenhändigen Testaments bestimmt § 2247 Abs. 1 BGB, dass der Erblasser sein Testament eigenhändig schreiben und unterschreiben muss. Fehlt die Unterschrift oder hat der Erblasser das Testament - entsprechend seinem sonstigen Schriftverkehr - am Computer oder Tablet errichtet, fehlt es an der erforderlichen Individualisierbarkeit. Das Testament ist dann unwirksam.
Fehlende Zeit- und Ortsangaben haben zwar keinen Einfluss auf die Wirksamkeit eines Testaments. Finden sich im Nachlass allerdings mehrere Testamente und lässt sich nicht zweifelsfrei klären, welches Testament zuletzt errichtet worden ist, sind sämtliche Testamente unwirksam.
Wenden wir uns unserem ersten Beispiel zu:
Herr M und seine Lebensgefährtin L sind seit vielen Jahren ein Paar. M ist alleiniger Eigentümer des von ihnen bewohnten Hauses. Sie haben keine Kinder und möchten sich gegenseitig zu Erben einsetzen. L schreibt daraufhin eigenhändig ein gemeinschaftliches Testament und unterschreibt; M unterschreibt das Testament sodann ebenfalls. Nachdem M einige Jahre später verstorben ist, meldet sich dessen Schwester S telefonisch bei L und fordert sie auf, ihr den gesamten Nachlass von M zu übergeben und sich zeitnah nach einer neuen Bleibe umzusehen.
Zwar genügt es für die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments gemäß § 2267 Abs. 1 BGB, dass einer der Ehepartner das Testament entsprechend der für Einzeltestamente geltenden Form errichtet und der weitere Ehepartner das Testament mitunterzeichnet. Die Möglichkeit, einen übereinstimmenden letzten Willen in einem gemeinschaftlichen Testament niederzulegen, besteht gemäß § 2265 BGB jedoch nur für Ehepartner, sowie über das fortbestehende LebenspartG auch für eingetragene Lebenspartner.
Da M und F nicht verheiratet waren, konnten sie kein wirksames gemeinschaftliches Testament errichten. Sie hätten entweder zwei separate Einzeltestamente errichten oder einen Erbvertrag schließen müssen. Würde an Stelle von M dessen Lebensgefährtin L zuerst versterben, läge zumindest ein von ihr eigenhändig errichtetes und unterschriebenes Testament vor. Dieses Testament wäre zwar als gemeinschaftliches Testament unwirksam, ließe sich aber gemäß § 140 BGB zumindest in ein wirksames Einzeltestament der L umdeuten, durch das M ihr Alleinerbe würde. Stirbt jedoch M zuerst, existiert in dem Dokument nur seine Unterschrift - da L den Text geschrieben hat, liegt kein von M eigenhändig verfasstes Testament vor. Eine Umdeutung scheidet hier aus. Es tritt dann die gesetzliche Erbfolge ein, so dass er, sofern seine Eltern vorverstorben sind, von seiner Schwester S als Erbin 2. Ordnung beerbt wird. L muss den Nachlass an die Schwester herausgeben.
Oft stellt sich nach dem Erbfall auch heraus, dass die vom Erblasser verwendeten Formulierungen ungenau oder mehrdeutig sind. Auch hierzu ein kleines Beispiel:
Frau F errichtet ein eigenhändiges Testament und schreibt: „Ich setze meine Kinder Eva und Paul zu gleichen Teilen als Erben ein. Paul soll mein Haus erhalten.“ Als F stirbt hinterlässt sie einen Gesamtnachlass im Wert von 800.000 €. Der durch einen Sachverständigen ermittelte Verkehrswert der Immobilie beträgt 300.000 €.
An diesem Beispiel zeigen sich die Auswirkungen mehrdeutiger oder ungenauer Formulierungen. Erscheint das Testament auf den ersten Blick eindeutig, lässt es sich bei genauer Betrachtung auf zwei Weisen auslegen, die zu erheblich divergierenden Ergebnissen führen: So kann die Bestimmung „Paul soll mein Haus erhalten.“ eine Teilungsanordnung nach § 2048 BGB darstellen. In diesem Fall erhielte Paul im Rahmen der Erbauseinandersetzung die Immobilie im Wert von 300.000 €. Da F ihre Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt hat, erhielte Paul nach Zuwendung der Immobilie entsprechend seiner hälftigen Erbquote aus dem Nachlass noch weitere 100.000 € (insgesamt 400.000 €). Über diese Teilungsanordnung könnten sich die beiden Miterben einvernehmlich hinwegsetzen.
Denkbar ist allerdings auch, dass die Bestimmung „Paul soll mein Haus erhalten.“ keine Teilungsanordnung ist, sondern ein Vorausvermächtnis. Ein Vorausvermächtnis nach § 2150 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn ein Miterbe zusätzlich zu seinem Erbteil einen weiteren Vermögensvorteil erhalten soll, ohne dass er diesen ausgleichen muss. In diesem Fall erhielte Paul das Haus im Wert von 300.000 € als Vermächtnis vorab aus dem Nachlass, und die verbleibenden 500.000 € würden zu gleichen Teilen unter den Geschwistern aufgeteilt. Paul erhielte dadurch wertmäßig insgesamt 550.000 €, Eva hingegen nur 250.000 €. Ob eine Teilungsanordnung oder ein Vorausvermächtnis vorliegt, ist eine Auslegungsfrage im Einzelfall.
Den daraus entstehenden Streit hätte F vermeiden können, indem sie beispielsweise angeordnet hätte: „Im Wege der Teilungsanordnung soll Paul mein Haus erhalten.“
Doch auch ein präzise formuliertes Testament nützt nichts, wenn es dem Erblasser an der erforderlichen Testierfreiheit fehlte. Während Testamente gemäß §§ 2253, 2258 BGB grundsätzlich jederzeit widerrufbar sind, gilt bei gemeinschaftlichen Testamenten eine Besonderheit. Hierzu ein weiteres Beispiel:
Die Eheleute M und F setzen sich mit gemeinschaftlichem Testament gegenseitig als Alleinerben ein sowie ihren Sohn S als Schlusserben. Als M verstorben ist bedauert F die Erbeinsetzung von S und möchte lieber ihre beste Freundin als Erbin einsetzen.
Verfügungen eines Ehegatten, von denen anzunehmen ist, dass sie nicht ohne die entsprechende Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden sind, sind gemäß § 2270 Abs. 1 BGB wechselbezüglich. Wechselbezügliche Verfügungen können nur zu Lebzeiten beider Ehepartner widerrufen werden durch einen notariell beurkundeten und dem anderen Ehepartner zugestellten Widerruf. Das Widerrufsrecht erlischt mit dem Tod des Erstversterbenden und der Überlebende ist an die wechselbezüglichen Verfügungen gebunden.
F könnte daher zwar ein abweichendes Testament errichten, jedoch wäre dieses gemäß 2270 Abs. 2, 2289 BGB unwirksam. Um die Bindungswirkung aufheben zu können, müsste F ihr Erbe ausschlagen.